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4 Zertifizierungsprozess und -zyklus

Der Zertifizierungszyklus besteht aus dem Erstaudit und der Erstzertifizierung sowie den Überwachungsaudits im ersten und zweiten Jahr. In den beiden Folgejahren nach einem Zertifizierungsaudit finden Überprüfungsaudits in verringertem Umfang statt. Die Audits werden immer im selben Quartal des Kalenderjahrs durchgeführt (s. Abb. 1).
Abb. 1: Ablauf des 3-jährigen Zertifizierungszyklus
Der Zertifizierungsprozess muss die Anforderungen des We-care-Standards erfüllen. Im Rahmen des Audits werden die im Anforderungskatalog definierten Kriterien geprüft und bewertet. Abbildung 2 zeigt, welche Verfahrensschritte zur Erreichung des Zertifikats einzuhalten sind.
Abb. 2: Der Zertifizierungsprozess

5 Auditablauf und -dauer

Das Unternehmen stellt dem Auditor ca. vier Wochen im Voraus oder gemäß vereinbarten Fristen relevante Dokumente und Informationen zur Vorab-Dokumentenprüfung zur Verfügung. Im Rahmen der Vorbewertung werden bereitgestellte Angaben und Nachweise des Unternehmens geprüft. Die Vorbewertung ist fester Bestandteil der Zertifizierung. Im Anforderungskatalog sind exemplarische Nachweise für die Vorbewertung ausgewiesen. Diese Angaben dienen als Orientierung für das Unternehmen und den Auditor.
Auditplan
Die Zertifizierungsstelle erstellt auf der Basis der Vorbewertung und in Absprache mit dem Unternehmen einen Auditplan und legt ggf. Auditschwerpunkte fest. Im Auditplan sollten kurze Zeitsequenzen eingefügt werden, um die Bewertung in der Checkliste bereits während des Audits detailliert vornehmen zu können. Zudem werden die oben genannten Faktoren zur Bestimmung der Auditdauer berücksichtigt.
Der Auditplan umfasst mindestens folgende Schritte:
Eröffnungsgespräch
Hinweis auf Stichprobenprüfung
Hinweis zum Umgang mit Nichtkonformitäten
Ggf. Abstimmung von Änderungen im Auditablauf
Hinweis auf Reflexionsphasen zur Validierung
Dokumentenprüfung und Validierung der Vorbewertung
Stichprobenprüfung hinsichtlich der Erfüllung der Standardkriterien durch Lieferanten
Betriebsbegehung
Befragung von Mitarbeitenden/Interviews zur Verifizierung der Prozesse
Abschlussgespräch
Zeitaufwand
Der Zeitaufwand durch die Zertifizierungsstelle liegt abhängig von der Größe des Unternehmens und den betrachteten Handlungsfeldern zwischen drei und fünf Tagen. Dabei können die Zeiten kürzer ausfallen, wenn bestimmte Handlungsfelder schon einen Zertifizierungsstandard haben, wie z. B. EMAS im Umweltmanagement, oder bestimmte Sozialstandards vorliegen wie SMETA, SA 8000 oder eine Fair-Zertifizierung.
Auditdauer
Die Dauer eines Audits ist vom jeweiligen Unternehmen abhängig und wird unter Einbeziehung folgender Faktoren bestimmt:
Anzahl der Mitarbeitenden
Anzahl der zu auditierenden Standorte (Wurzelberechnung/Stichprobe bei mehreren Produktionsstandorten)
Art der Tätigkeit des Unternehmens (Hinweis: Einzelhandelsunternehmen oder reine Private-Label-Auftraggeber führen weniger und weniger komplexe standardrelevante Tätigkeiten durch als Hersteller, die selbst ein großes Portfolio an Rohwaren aus Risikoländern einkaufen.)
Komplexität der Lieferkettenstruktur (z. B. Anzahl der Lieferanten)
Komplexität der Standorte (reiner Bürostandort oder produzierender Standort)
Ergebnisse aus vorherigen Audits
vorhandene Zertifizierungen
Art des Audits (Zertifizierungs- oder Überprüfungsaudit)
vom Antragsteller dargelegte Prozesse und Standorte im Geltungsbereich, ggf. inkl. deren Rechtsform
vom Antragsteller dargelegte für den We-care-Standard relevante Unternehmensaktivitäten inkl. deren Grenzen
Die Auditdauer wird zwischen der Zertifizierungsstelle und dem zu auditierenden Unternehmen vertraglich vereinbart. Zusätzlich wird die Zeit für die Auditvorbereitung und die Berichtserstellung festgelegt.
Die einzelnen Handlungsfelder sollten folgenden Anteil am Gesamtaudit vor Ort haben:
Unternehmensführung: 30 %
Lieferkettenmanagement: 30 %
Umweltmanagement: 20 %
Mitarbeiterverantwortung: 20 %

6 Bewertung und Ergebnisberechnung

Grundlage für das Bestehen des Audits und die Zertifizierung ist das Erreichen eines Mindesterfüllungsniveaus. Dieses Basisniveau entspricht einem Erreichungsgrad von mindestens 60 Prozent des individuellen Referenzwerts des Unternehmens. Bei mehr als 80 Prozent des Referenzwerts erhält das Unternehmen das „höhere Level” bescheinigt.
Die Bewertung erfolgt über eine Notenskala von A bis D (s.  Tab. 1).
Tabelle 1: Notenskala
Note
Punkte
Bewertung
A
20
Anforderungen auf sehr hohem Niveau umgesetzt„exzellent”
B
16
Anforderungen umgesetzt, geringe Verbesserungsmöglichkeiten„gut”
C
8
Anforderungen teilweise umgesetzt, klarer Verbesserungsbedarf„nicht ausreichend”
D
0
Anforderungen kaum oder gar nicht umgesetzt„nicht umgesetzt”
Die Berechnung des individuellen Referenzwerts eines Unternehmens wird auf der Basis der maximal erreichbaren Punktzahl aller Kriterien und unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Gewichtung vorgenommen.
Dabei wird für jedes der vier Handlungsfelder ebenfalls der spezifische Referenzwert gebildet und der tatsächlich erreichten Punktzahl gegenübergestellt und der Erreichungsgrad in Prozent ausgedrückt. Das Gesamtergebnis setzt sich aus der Addierung der Ergebnisse nach Gewichtung der vier Handlungsfelder zusammen.
Gewichtung der Handlungsfelder
Die vier Handlungsfelder werden mit folgender Gewichtung berücksichtigt:
Unternehmensführung:
30 %
Lieferkettenmanagement:
30 %
Umweltmanagement:
20 %
Mitarbeiterverantwortung:
20 %

7 Schwerpunkt Handlungsfeld Lieferkettenmanagement

Neu im Vergleich zu anderen Nachhaltigkeitsstandards ist der starke Fokus auf das Handlungsfeld Lieferkettenmanagement. Ausführlich ist hier durch insgesamt acht Themenfelder und 36 Kriterien festgelegt, wie ein Unternehmen Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette übernehmen, sie formulieren und in der Umsetzung dokumentieren muss.
So muss es sich einerseits Regeln für seine alltäglichen Vorgehensweisen setzen und andererseits Sofortmaßnahmen ergreifen, wenn in der Lieferkette Sozial-, Umwelt- oder auch Tierwohlstandards verletzt werden.
In diesem Handlungsfeld kommt dem Einkauf eine Schlüsselrolle zu. Dieser hat unter anderem darauf zu achten, dass faire und für eine nachhaltige betriebliche Entwicklung notwendige Erzeugerpreise für Rohwaren gezahlt werden. Insbesondere zählen dazu eine auf langfristige Zusammenarbeit ausgerichtete, partnerschaftliche und verlässliche Gestaltung von Geschäftsbeziehungen unter Berücksichtigung der We-care-Anforderungen und ein diskriminierungsfreier Umgang mit Beschäftigten und Geschäftspartnern entlang der gesamten Lieferkette. Geschäftsbeziehungen sollen so gestaltet werden, dass sie einer nachhaltigen Entwicklung aller Beteiligten in der Wertschöpfungskette förderlich sowie diskriminierungsfrei sind. Dies umfasst auch, beschränkt sich aber nicht auf angemessene Preise, Zahlungsbedingungen und Löhne, durch die die erbrachten Leistungen gebührend, kostendeckend und existenzsichernd honoriert werden sollen. Ebenso müssen Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nachkommen, um an ihren Standorten und in ihren Lieferketten angemessene, sichere und gerechte Beschäftigungsverhältnisse unter Einhaltung von Menschenrechten und ILO-Kernarbeitsnormen sicherzustellen. Die Lieferanten müssen sich auch ihrerseits nachweislich We-care-konform verhalten, um mit We-care-zertifizierten Unternehmen zusammenarbeiten zu können. Für das We-care-Siegel müssen Unternehmen nachweisen, dass sie ihre Partnerinnen und Partner zu Verhaltensweisen verpflichtet haben, die mit anerkannten Sozialstandards konform sind und dass die Unternehmen überprüfen, ob auch tatsächlich so gehandelt wird.
We care ist besonders geeignet, sich als teilnehmendes Unternehmen auf die Anforderungen des deutschen Sorgfaltspflichten-Gesetzes vorzubereiten. Die im We-care-Standard beschriebenen Kriterien sind in ihrer Deutlichkeit wesentlich konkreter als die Gesetzesformulierungen. So wird z. B. vom Gesetz gefordert, dass es ein Risikomanagement geben muss, regelmäßige Risikoanalysen oder Präventionsmaßnahmen. Wie dies für die Lebensmittelbranche aussehen kann, wird durch die Beschreibung und Umsetzung der verschiedenen We-care-Kriterien aufgezeigt. Auch wenn aktuell nur die großen Lebensmittelhersteller und -händler, ob konventionell wie Biounternehmen, von dem Gesetz betroffen sind (ab 2024 Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden), so müssen sich alle Hersteller damit beschäftigen, da abzusehen ist, dass alle Lieferanten als Teil der Lieferketten dieser Großunternehmen, auch von diesen zu ihrer Sorgfaltspflicht entlang ihrer Lieferketten bewertet werden. Ein weiterer Punkt wird in der Zukunft sein, dass mit der neuen EU-Definition von KMU-Unternehmen eine Mitarbeiterobergrenze von 500 Mitarbeitenden ab 2024 gelten soll. Und damit fallen weitere Lebensmittelunternehmen unter das deutsche Lieferkettengesetz.
Ein Vergleich zwischen den Anforderungen des Lieferkettengesetzes, am Beispiel des § 3 und des We-care-Standards zeigt die verschiedenen Kriterien, die auf den Paragrafen einzahlen. Dabei wird es deutlich, dass der We-care-Standard sich gut für eine Vorbereitung auf die zukünftige Umsetzung des Sorgfaltspflichtengesetzes eignet (s. Tab. 2).
Tabelle 2: Vergleich des § 3 des Sorgfaltspflichtengesetzes mit dem We-care-Standard
Sorgfaltspflichtengesetz
We-care-Standard
§ 3 Sorgfaltspflichten
Überprüfung in den Handlungsfeldern und Kriterien
Bewertung von Dokumenten
Einrichtung Risikomanagement
UF1, UF 3, UF 5, LM 1
Unternehmensgrundsätze
Compliance-Regelungen
Wesentlichkeitsanalyse
Unternehmensziele
Grundsätze im Liefermanagement
Anforderungen für Lieferanten
Verfahrensanweisungen im Lieferantenmanagement
Lieferantenbewertung hinsichtlich sozialer u. Umweltrisiken
Dokumentierter Prozess der operativen Beschaffung
betriebsinterne Zuständigkeit festlegen
UF 4, UF 9, UF 11
regelmäßige Risikoanalysen
UF 3, UF 12
eine Grundsatzerklärung
UF 1, LM 1, LM2
Präventionsmaßnahmen
UF 5, LM 2
Abhilfemaßnahm
LM 1
Beschwerdeverfahren
UF 6, UF 12
Sorgfaltspflichten bzgl. mittelbare Zulieferer
Es gilt die gesamte Lieferkette.
Dokumentation und Berichterstattung
UF 11, UF 13, LM 7, LM 8

9 Fazit

Welchen Nutzen hat der Standard?
Die We-care-Zertifizierung bietet drei große Nutzen: We care ist ein Leitfaden, ein Zertifizierungssystem und Siegel für Nachhaltigkeit.
Ein Leitfaden, weil er standardisierte Kriterien für die soziale, nachhaltige und faire Gestaltung eines Managementsystems enthält und vor dem Hintergrund einer zunehmenden nationalen und internationalen Diskussion um Verantwortung und Gerechtigkeit in den immer internationaler gestalteten Lieferketten auch einen Beitrag für das Risikomanagement und die Umsetzung der Sorgfaltspflichten gemäß dem Lieferkettengesetz liefert.
Ein Zertifizierungssystem, weil er eine Prüfung und Zertifizierung durch qualifizierte externe Auditoren vorgibt und damit für eine externe Nachweisbarkeit und gleichzeitig für eine kontinuierliche interne Verbesserung der Nachhaltigkeit sorgt.
Ein Siegel, weil er eine gesamtheitliche Kommunikation der Nachhaltigkeitsleistung eines gesamten Unternehmens ermöglicht und durch die Einbindung bereits existierender anspruchsvoller Einzelsiegel für eine Reduzierung der Siegelflut sorgen kann.
 

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