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07206 Ökobilanz light – Lebenswegbetrachtung im Rahmen eines UMS

Die ISO 14001:2015 fordert, dass Unternehmen für ihre Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen die Umweltaspekte unter Berücksichtigung des Lebenswegs betrachten.
Dieser Artikel bietet einen Leitfaden zur Lebenswegbetrachtung eines industriell hergestellten Produkts, wie sie von Organisationen schnell und auf der Grundlage überwiegend unternehmensinterner Daten erstellt werden kann.
Arbeitshilfen:
von:

1 Kurzdarstellung Ökobilanz light

Angelehnt an die DIN EN ISO 14044 (Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitung)
In fünf Arbeitsschritten zur Ökobilanz als in erster Linie intern nutzbares Dokument zur Entscheidungsvorbereitung
Ausgelegt auf die Lebenswegbetrachtung eines Produkts
Strukturierte Anleitung durch kurze Infos und Leitfragen
Möglichst weniger als 40 Stunden Erstellungszeit

2 Ökobilanz und Lebenswegbetrachtung

Eine Ökobilanz ist eine Zusammenstellung und Beurteilung aller mit einem Produkt verbundenen Umweltaspekte und produktspezifischen potenziellen Umweltwirkungen. Sie untersucht die umweltrelevanten Aspekte ausgehend von der Rohstoffgewinnung über Produktion, Anwendung, Abfallbehandlung, Recycling bis zur endgültigen Beseitigung. Kurz gesprochen, eine Betrachtung von der Wiege bis zur Bahre. [1]
Ökobilanzierung nach ISO 14044 nicht für alle Unternehmen praktikabel
Die Betrachtung in einer alle Aspekte umfassenden Art und Weise, wie sie die ISO 14044 (Ökobilanz – Anforderungen und Anleitung) fordert, ist jedoch aufgrund des hohen Arbeitsaufwands nicht für alle Organisationen sinnvoll beziehungsweise praktikabel. Gleichwohl fordern Umweltmanagementsysteme wie die ISO 14001:2015 zunehmend einen ganzheitlichen Blick auf die unternehmerische Tätigkeit. Unternehmen müssen ihre direkten und indirekten Umweltaspekte bestimmen, bewerten und entsprechende Ziele und Maßnahmen entwickeln. Praxisorientierte, systematische Lebenswegbetrachtungen rücken daher immer stärker in den Fokus.
Ziele
Lebenswegbetrachtungen können wichtige Informationen für die Entwicklung umweltverträglicher Produkte liefern, sie sind eine Hilfe für unternehmenspolitische Entscheidungsprozesse und sie können zu Marketingzwecken genutzt werden.
Dieser Artikel bietet einen Leitfaden zur Lebenswegbetrachtung eines industriell hergestellten Produkts, wie sie von Organisationen schnell und auf der Grundlage überwiegend unternehmensinterner Daten erstellt werden kann.

3 Ziel und Untersuchungsrahmen festlegen: Ökobilanz light – Schritt 1

Für die Betrachtung von Nachhaltigkeitsaspekten bietet es sich an, zunächst alle Aspekte rund um den Herstellungsprozess und dessen primäre Nutzung zu betrachten. In einem weiteren Schritt kann die Analyse dann um zusätzliche Prozesse ergänzt werden. Zum Beispiel können die eingesetzten Roh- und Hilfsstoffe (einschließlich Rohstoffgewinnung) weiter aufgeschlüsselt, verschiedene Formen der Energiebereitstellung betrachtet, der Transportaufwand abgeschätzt und Informationen zur Verwertung ergänzt werden (s. Abb. 1).
Abb. 1: Vereinfachter Lebensweg eines Produkts [2]
Prozessmodule und Produktsysteme
Produktlebenswege sind in aller Regel weit vernetzt. Für ein vermeintlich einfaches Produkt entsteht schnell ein sehr komplexes Flussdiagramm mit vielen Prozessmodulen (oft auch Produktbaum genannt). Miteinander verbundene Prozessmodule bilden das Produktsystem.
Der Versuch, die Umweltwirkung eines Produktsystems detailliert zu modellieren, ist arbeitsintensiv und schwierig. Ein praktisches Beispiel veranschaulicht die Endlosigkeit der Betrachtungsmöglichkeiten:
Beispiel
„Bei Handtuchspendern gibt es [...] die Varianten „Papierhandtücher” und „Stoffrolle”. Die Stoffrolle muss gewaschen werden, um ihre Funktion zu erfüllen. Das bedeutet, der Waschgang (Waschmittel, Wasser – und Energieverbrauch) ist Teil des Produktsystems und muss sicherlich berücksichtigt werden. Zum Waschen werden Waschmaschinen benötigt. Muss nun auch die Produktion der Waschmaschinen berücksichtigt werden? Zur Produktion von Waschmaschinen wird z. B. Stahl benötigt. Stahl wird aus Eisenerz gemacht, dieses muss transportiert werden usw.” [2]
Nur wesentliche Verknüpfungen berücksichtigen
Im Prinzip könnte jedes noch so kleine Produkt mit dem gesamten industriellen System verknüpft werden. Entscheidend ist daher, eine Auswahl zu treffen und nur die wesentlichen Verknüpfungen zu berücksichtigen. Mithilfe einer linearen Perspektive und durch iterative Näherungen können Grenzen gesetzt und sogenannte nicht wesentliche Aspekte ausgeblendet werden. Deshalb ist es bereits zu Beginn der Lebenswegbetrachtung wichtig, den Untersuchungsrahmen abzustecken. Die Norm ISO 14044, Kap. 4.2.2 gibt hierzu folgende Anregungen [1]:
Gründe für eine Lebenswegbetrachtung (Hintergrund, beabsichtigte Anwendung)
Um Hinweise auf bedeutende indirekte Umweltaspekte eines Produktsystems zu bekommen.
Um Einflussmöglichkeiten zu erkennen (Kosteneinsparung, alternative Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe und Verfahren).
Um langfristige Ziele/Strategien abzuleiten.
Welche Zielgruppe soll angesprochen werden? Wer soll die Ergebnisse der Studie erhalten?
Geschäftsführer und Entscheider haben direkten Einfluss auf umweltrelevante Investitions- und Strategieentscheidungen.
Interne Fachabteilungen, wie zum Beispiel Forschung/Entwicklung, Produktdesign und Beschaffung haben Einfluss auf die Umweltwirkung eines Produktsystems.
Soll die Studie für öffentliche Vergleiche genutzt werden?
In der Regel nicht. Die Lebenswegbetrachtung dient vorrangig der internen Information. Sie kann jedoch als Vorbereitung für eine Ökobilanz nach ISO 14044 genutzt werden.
Tabelle 1 fasst verschiedene Beweggründe für eine Lebenswegbetrachtung zusammen.
Tabelle 1: Beweggründe für eine Lebenswegbetrachtung [3]
 
Einzelfallbetrachtung
Produktvergleich
Nach innen gerichtete Beweggründe
Vergleich im Hinblick auf die Produktentwicklung
Vergleich von:
Rohstoffeinsatz
Produktionsprozessen
Designs
Produktspezifikationen
Nach außen gerichtete Beweggründe
Transparente Berichterstattung der Umweltauswirkung eines Produkts gegenüber dem Nutzer und der Öffentlichkeit
Vergleich zwischen Konkurrenzprodukten
Die grundlegenden Entscheidungen können direkt bei der ersten Inaugenscheinnahme des Produkts mithilfe eines Flussdiagramms dokumentiert werden (s. Abb. 2).
Abb. 2: Qualitative Analyse der entstehenden Umweltbelastung bei der Herstellung eines Kupferkabels (nach [4])
Berücksichtigen Sie bei der Erstellung die folgenden von Klöpffer und Grahl herausgearbeiteten wesentlichen Punkte:
„Stellen Sie eine Liste der im Produkt enthaltenen Materialien auf.
Machen Sie unter Massegesichtspunkten eine erste Abschätzung, welche Materialien dominant und welche eine geringere Bedeutung haben.
Machen Sie in einer Skizze die technische Systemgrenze deutlich. Achten Sie darauf, dass in Ihrem Fließbild in den Kästchen (= Prozessmodule) Prozesse aufgeführt sind.
Bennen Sie in weiteren Skizzen für jeden von Ihnen aufgenommen Prozess die Inputs und Outputs qualitativ. (Da noch keine ausführliche Recherche stattgefunden hat, richtet sich der Detaillierungsgrad in diesem Arbeitsschritt nach Ihren Hintergrundkenntnissen zu den von Ihnen definierten Prozessen.)
Berücksichtigen Sie in Ihrer Darstellung übliche Recyclingwege (open-loop: verlassen das Produktsystem, zum Beispiel Schrott, Altpapier, Altglas, Plastikabfälle und closed-loop: verbleiben im Produktsystem, zum Beispiel Plastikschnitzel, Stanzrückstände, Abschneidereste).
Machen Sie Koppelprodukte kenntlich.
Machen Sie kenntlich, welche relevanten Belastungen entlang des Produktlebenswegs auftreten.
Grenzen Sie die Betrachtung zeitlich und geografisch ab.” [2]

4 Festlegen der Abschneidekriterien sowie der funktionalen Einheit: Ökobilanz light – Schritt 2

Wegen der weiten Verzweigung von Produktsystemen ist es gängige Praxis, Schwerpunkte zu setzen und weniger umweltrelevante Prozesse aus der Betrachtung herauszulassen beziehungsweise abzuschneiden. Dies führt dazu, dass die Ergebnisse von Lebenswegbetrachtungen je nach Perspektive und gewählten Kriterien sehr unterschiedlich ausfallen können. Hieraus folgt die Konsequenz, dass die Ergebnisse von Lebenswegbetrachtungen nicht mit der Unterscheidung richtig/falsch bewertet werden sollten. Es handelt sich vielmehr um gleichwertige Betrachtungsmöglichkeiten, die parallel nebeneinanderstehen.
Transparenz entscheidend
Entscheidend ist vor allem die Transparenz der Vorgehensweise. Besonderes Augenmerk sollte deshalb auf die Dokumentation der Abschneidekriterien und auf die Dokumentation der gewählten funktionalen Einheit gelegt werden.

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