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05017 Compliance, Haftung und wirksame Delegation von Rechtspflichten im Energie-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht

Jedes Unternehmen hat sich mit einer Vielzahl von rechtlichen Pflichten im Energie-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht auseinanderzusetzen. Im nachfolgenden Beitrag sollen die Bedeutung der Einhaltung von Compliance-Anforderungen skizziert sowie praxistaugliche Hinweise zur rechtskonformen Umsetzung gegeben werden.
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1 Worum geht es?

Im Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht werden Unternehmen vornehmlich mit Handlungs- und Unterlassungspflichten konfrontiert. Es handelt sich bspw. um Pflichten, nach denen Vorkehrungen für den Brandschutz oder gegen das Austreten von wassergefährdenden Stoffen zu treffen sind. Hinzu kommen regelmäßig Verbote, z. B. das Verbot, bestimmte Stoffe in der Produktion einzusetzen.
Privilegien erhalten
Im Energierecht existieren solche Ge- und Verbote zwar auch, z. B. im Energieeffizienzrecht des EnEfG. Eine weitaus größere Rolle spielen jedoch alle Anforderungen, die eingehalten werden müssen, um wirtschaftlich bedeutsame energierechtliche Privilegien, wie die besondere Ausgleichsregelung im EnFG, Stromsteuerentlastungen oder individuelle Netzentgelte, nicht zu verlieren. Dies betrifft vor allem eine Vielzahl von Zahlungs-, Mitteilungs- und Antragsfristen, bei deren Versäumnis bedeutsame wirtschaftliche Vorteile entfallen können.
Vermeidung von Haftungsfällen
Damit ist die Compliance im Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht wesentlich an der Vermeidung von zivil- und öffentlich-rechtlichen Haftungsfällen sowie Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ausgerichtet. Im Energierecht sollen durch die rechtskonforme und damit erfolgreiche Nutzung von gesetzlichen Privilegien wirtschaftliche Vorteile erzielt bzw. erhalten werden, die einen wesentlichen Standortfaktor darstellen.
Voraussetzung für ISO-Zertifizierungen
Darüber hinaus hat eine wirksame Unternehmenscompliance im Energie-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht noch weitere relevante Vorteile für Unternehmen, die sich sowohl intern als auch extern auswirken. Im Arbeitssicherheitsrecht kann sich bspw. nachgewiesenermaßen ein positiver Effekt auf die Produktivität des Unternehmens ergeben: Gesunde Beschäftigte sind zufriedener, zufriedene Beschäftigte arbeiten motivierter. Im Umwelt- und Energierecht wird Compliance mit den geltenden Rechtsvorschriften vielfach von ISO-zertifizierten Managementsystemen vorausgesetzt.
Spezialgesetzliche Regelungen
Während im Arbeitsschutzrecht viele der nachfolgend dargestellten Anforderungen an die Betriebsorganisation durch Gesetze und berufsgenossenschaftliche Vorschriften normiert und durch Technische Regeln sehr ausdifferenziert geregelt sind (z. B. die ausdrückliche Pflicht zur Schaffung einer geeigneten Organisation des Arbeitsschutzes nach § 3 ArbSchG, Nr. 3.2 TRGS 400) sowie die Pflicht zur Übertragung von Aufgaben auf befähigte Beschäftigte nach § 7 ArbSchG, § 7 DGUV V 1), ergeben sich im Energie- und Umweltrecht nur wenige Anforderungen zur Betriebsorganisation direkt aus spezialgesetzlichen Regelungen, und die allgemeinen Grundsätze des Haftungsrechts spielen eine größere Rolle. Punktuelle gesetzliche Vorgaben stellen bspw. § 44 AwSV (Betriebsanweisung, Unterweisungspflicht), § 5 AltholzV (erforderliche Sachkunde) oder die Fachkunde und Zuverlässigkeitsanforderungen für Immissionsschutz-, Abfall- oder Gewässerschutzbeauftragte dar.

2 Wer ist verpflichtet?

Die genannten Pflichten können sowohl das Unternehmen als juristische Person, dessen Vertreter (Vorstand, Geschäftsführung etc.) als auch die in dem Unternehmen tätigen Personen (Werksleiter, Abteilungsleiter, Beschäftigte etc.) treffen. Sofern spezialgesetzliche Regelungen existieren, z. B. aus § 13 ArbSchG oder aus § 44 AwSV, die bestimmte Pflichten und Verantwortlichkeiten konkret regeln, bestimmt sich der jeweilige Pflichtenadressat anhand der Spezialvorschrift. Ansonsten bestimmt sich dieser nach allgemeinen Grundsätzen.
Unmittelbar agierende Personen
Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen adressieren zunächst die unmittelbar agierenden Personen, d. h. die handelnden oder andere anweisende Beschäftigte, z. B. den Schichtleiter, der eine erforderliche Anweisung unterlässt oder den Beschäftigten, der verladenes Gefahrgut nachlässig gesichert hat.
Topmanagement
Im Regelfall ist darüber hinaus das Topmanagement auch ohne unmittelbare Mitwirkungshandlung bei einem Rechtsverstoß für die Einhaltung von Pflichten des Unternehmens verantwortlich. Dies sind bspw. bei der GmbH der Geschäftsführer, bei der AG der Vorstand oder bei der OHG die Gesellschafter.
Ordnungswidrigkeitengesetz
So gilt nach § 130 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), dass der Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens ordnungswidrig handelt, wenn er sog. „Aufsichtsmaßnahmen” unterlässt. Dies sind in der Regel Maßnahmen, die erforderlich sind, um die im Unternehmen oder Betrieb geltenden Pflichten (z. B. aus Vorschriften des Arbeitsschutzes und Umweltrechts) umzusetzen bzw. Verstöße gegen diese zu verhindern. Explizit nennt das Gesetz an dieser Stelle die Maßnahme in Form der Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen. Wird gegen eine solche Pflicht verstoßen und hätte dies durch die Veranlassung einer Aufsichtsmaßnahme verhindert werden können, drohen dem Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens Strafen oder Geldbußen.
Zivilrechtliche Haftung und Haftungsbeschränkungen
Im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung, d. h. insbesondere der Verpflichtung, Schadensersatz an Dritte zu leisten, gelten für das Verhältnis der Haftung des Unternehmens, der Leitungspersonen und handelnden Beschäftigten eine Vielzahl von Sonderregelungen, die hier nicht vertieft werden können. Haftungsbeschränkungen können im Verhältnis von Beschäftigten gegenüber einem Dritten, von Beschäftigten untereinander oder vom Beschäftigten im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber bestehen. Im Regelfall trägt dann das Unternehmen/der Arbeitgeber den finanziellen Schaden.
Haftungsbeschränkungen zugunsten von Beschäftigten werden regelmäßig damit begründet, dass der Beschäftigte immer auf Weisung des Arbeitgebers und in dessen Betrieb tätig wird, in der Regel keinen Einfluss auf die betrieblichen Abläufe und Gefahren hat und oftmals nicht in der Lage ist, mit seinen eigenen finanziellen Mitteln hohe Verluste bei betrieblichen Schadensfällen auszugleichen.

3 Welche Folgen können drohen?

Bei allen Pflichtverstößen, die als Ordnungswidrigkeiten bußgeldbewehrt sind (z. B. Pflicht zur getrennten Sammlung von Abfallfraktionen wie Glas, Papier oder Textilien nach der Gewerbeabfallverordnung, zur Durchführung eines Energieaudits für Nicht-KMU nach dem EDL-G oder einer Gefährdungsbeurteilung nach der Betriebssicherheitsverordnung), kommt im Regelfall eine Haftung der verantwortlichen Geschäftsführung, der beauftragten Beschäftigten sowie des Unternehmens selbst als juristische Person in Betracht. So kann der Geschäftsführung eine Geldbuße von bis zu 1 Mio. Euro auferlegt werden, wenn die Pflicht nach § 130 Abs. 1 OWiG verletzt wird, durch Einsatz geeigneter Organisations- und Aufsichtsmaßnahmen die Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen im Betrieb zu gewährleisten.
Bußgelder und Abschöpfung als Sanktionen
Je nachdem, ob fahrlässig, grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt wurde, kann das Bußgeld milder oder höher ausfallen. Bei Fahrlässigkeit wird in der Regel maximal die hälftige Bußgeldhöhe ausgeschöpft. Darüber hinaus ist die Abschöpfung, d. h. die staatliche Einziehung von wirtschaftlichen Vorteilen, möglich. So musste Volkswagen nach Medienberichten im Jahr 2018 im Dieselskandal nicht nur ein Bußgeld entrichten, sondern wirtschaftliche Vorteile in Höhe von rund 995 Millionen Euro herausgeben.
Strafrechtliche Konsequenzen
In bestimmten, schwerwiegenderen Fällen können Pflichtverletzungen auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Falschangaben im Rahmen der Beantragung von Vergünstigungen bei der Strom- oder Energiesteuer können bspw. bei nicht vorsätzlichem Verhalten zunächst nur eine Ordnungswidrigkeit in Form der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO (Abgabenordnung) darstellen. Korrigiert der Antragsteller den Fehler nach Erkennen allerdings bewusst nicht, kann Vorsatz und damit eine strafbare Steuerhinterziehung nach § 370 AO vorliegen.
Orientierung an tatsächlich entstandenem Schaden
Anders als im anglo-amerikanischen Recht, wo mit Schadensersatzzahlungen in schwindelerregenden Höhen Unternehmen präventiv dazu angehalten werden sollen, möglichst keine Rechtsverstöße zu begehen, orientieren sich die Schadensersatzansprüche nach deutschem Recht ausschließlich an dem dem Geschädigten tatsächlich entstandenen Schaden (sog. Naturalrestitution). Dies können bei einem Personenschaden bspw. die Kosten der Heilbehandlung sein. Bei Arbeitsunfällen gilt dies aber nur bei vorsätzlicher Verursachung.

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