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05016 Regelwerksmonitoring und Pflichtenmanagement

Führungskräfte der Produktion und anderer technischer Betriebsbereiche sind in der besonderen Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlich geforderten Pflichten. Als Betreiber von Produktionsanlagen müssen Sie für die Sicherheit der Maschinen und Anlagen sowie den umweltrechtskonformen Betrieb geradestehen. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, ist es erforderlich, die Regelwerke zu kennen, die für den Aufgabenbereich relevant sind, sowie die betrieblichen Pflichten, die sich daraus ableiten lassen.
Der Spagat zwischen Betreiberpflichten und effizienter Produktion gelingt nicht ohne Steuerungsinstrumente, die ermöglichen, dass alle Pflichten bekannt sind und mit geeigneten Methoden umgesetzt werden. Kernpunkt bildet dabei ein pragmatisches Pflichtenmanagement, das das Instrument von Gefährdungsbeurteilungen nutzt, um Rechtskonformität herzustellen und risikogerecht Schutzmaßnahmen abzuleiten.
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1 Verantwortung als Produktionsleiter (betrifft auch andere technische Führungskräfte)

Führungskräfte sind besonderen Haftungsrisiken ausgesetzt. Sie werden in der Rechtsprechung oft zur Verantwortung gezogen, weil man davon ausgeht, dass sie durch eine sorgfältige Organisation Schadensfälle verhindern können. Oberste Führungskraft ist zunächst der Geschäftsführer oder der Vorstand. Doch dieser delegiert seine Pflichten innerhalb der Organisation in der Regel weiter.
Haftungsrisiken
Wenn aufgrund von Fehlern in der Aufbau- oder Ablauforganisation einem Dritten Schaden zugefügt wurde, so spricht man von einem Organisationsverschulden, für das u. U. die betreffende Führungskraft haftet. Grundsätzlich spielt diese Thematik in allen Unternehmensbereichen eine Rolle. Der Produktion kommt diesbezüglich eine Schlüsselrolle zu, denn besonders große Haftungsrisiken liegen im Betrieb komplexer Produktionsmaschinen oder -anlagen. Diese Risiken resultieren aus möglichen Fehlfunktionen der Anlagen oder Fehlbedienungen durch Personal oder Anwender und damit verbundenen Schäden an Mensch, Umwelt oder Material.
„In eigener Verantwortung”
Aus diesem Grund wird die Unternehmensleitung für den Betrieb einer oder mehrerer Anlagen einen Produktionsleiter einsetzen. Das Unternehmen bleibt nach außen immer Betreiber dieser Anlagen, denn die Betriebsgenehmigung (sofern eine erforderlich ist) besitzt das Unternehmen. Der zum Betrieb beauftragte Produktionsleiter ist aber dann der „interne Betreiber” und wird i. A. im Rahmen von allgemeinen Produktionsvorgaben über den genauen technischen Betrieb der Anlagen (Bestückung, Leistung, Fahreigenschaften ...) selbst entscheiden, d. h., er leitet den Produktionsbetrieb „in eigener Verantwortung”. Das hat eine wichtige rechtliche Konsequenz. Das wird deutlich, wenn man sich den § 14 StGB (Strafgesetzbuch) ansieht. Darin heißt es in Absatz 2:
Strafbarkeit des Beauftragten
Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten
1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen, und handelt er aufgrund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden.
Der Produktionsleiter fällt i. d. R. unter Nummer 1, ein speziell beauftragter Maschinenführer fällt unter Nummer 2.
Übertragung der Unternehmerpflichten
Danach würde bei strafbaren Handlungen nicht nur der Inhaber des Betriebs zur Verantwortung gezogen, sondern auch die für die für die Umsetzung von Umweltvorschriften beauftragte Person. Das ist das Prinzip der Übertragung der Unternehmerpflichten. Man beachte: Die einzige Bedingung ist, dass man einen Betrieb ganz oder zum Teil „leitet” oder Aufgaben „in eigener Verantwortung” wahrnimmt. Eine schriftliche Übertragung von Unternehmerpflichten ist für die Ahndung der strafbaren Handlung nicht erforderlich. Die schriftliche Form wird zusätzlich im Arbeitsschutzgesetz § 13 für die Pflichten in der Arbeitssicherheit gefordert. Sie ist aber nur eine notwendige Konsequenz und keine hinreichende Bedingung für die Übernahme der Verantwortung, für die Umsetzung der Pflichten und somit für die Sicherheit durch den Produktionsleiter. Das Fehlen einer schriftlichen Übertragung der Unternehmerpflichten entlastet also den Produktionsleiter nicht. Es belastet aber zusätzlich seinen Vorgesetzten, weil er eine Pflicht aus dem Arbeitsschutzgesetz nicht umgesetzt hat. Für Umweltpflichten gibt es eine Verpflichtung zur Schriftform nicht. Sie ist aber aus Gründen der Transparenz für die Verpflichteten genauso anzuraten.
Das Gleiche gilt im Übrigen auch für Ordnungswidrigkeiten. Ein fast gleicher Wortlaut befindet sich in § 9 OwiG (Ordnungswidrigkeitengesetz).
Zivilrechtliche Haftung
Neben der strafrechtlichen Haftung gibt es auch eine zivilrechtliche Haftung. Eine Grundlage für die zivilrechtliche Haftung bildet § 823 BGB. Danach ist Schadenersatz zu leisten, wenn jemand durch schuldhaftes Handeln geschädigt wird.
Kenntnis aller relevanten Vorschriften
Schuldhaft handelt man, wenn man vorsätzlich oder fahrlässig handelt oder eine Schutzvorschrift verletzt. Daraus ergibt sich, dass eine betriebliche Führungskraft niemanden durch Fahrlässigkeit gefährden darf und alle Schutzvorschriften im Zusammenhang seiner betrieblichen Anlagen einhalten muss. Damit ergibt sich indirekt die Pflicht, alle Vorschriften, die die betrieblichen Vorgänge in Produktion, Technik oder Logistik betreffen, zu kennen und zwar in der jeweils aktuell gültigen Fassung.
Verkehrssicherungspflichten
Viele Gerichtsurteile zeigen, dass mit schuldhaftem Handeln auch das Unterlassen von Schutzmaßnahmen, insbesondere der sogenannten Verkehrssicherungspflichten, verbunden ist. Oft ist der Produktionsleiter Hausherr innerhalb der ihm zugeordneten Produktionsanlagen. Dann muss der Produktionsleiter auch für die Umsetzung der Verkehrssicherungspflichten sorgen.
Gefährdungshaftung
Neben dieser Verschuldenshaftung gibt es zusätzlich die Gefährdungshaftung, die die Haftungssituation weiter verschärft. Im Rahmen dieser Gefährdungshaftung (z. B. § 1 Produkthaftungsgesetz, § 1 Umwelthaftungsgesetz) wird von einer besonderen Verantwortung des Produzenten bzw. Anlagenbetreibers ausgegangen, die dazu führt, dass im Schadensfall der Geschädigte lediglich den Kausalzusammenhang nachweisen muss. Ein schuldhaftes Handeln muss dabei nicht vorliegen. Das kommt einer Beweislastumkehr gleich. Das heißt, der Betreiber bzw. Produzent muss nachweisen, dass er alles regelwerkskonform betrieben hat. Um dieser Gefährdungshaftung vorzubeugen, muss daher der Produktionsleiter den bestimmungsgemäßen Betrieb sicherstellen und auf eine möglichst rechtssichere Dokumentation der Produktionsbedingungen achten.
Nachweis des bestimmungsgemäßen Betriebs
Möglichkeiten zur Entlastung von Haftungsforderungen bietet also vor allem der Nachweis des bestimmungsgemäßen Betriebs und der Einhaltung der Vorschriften. Ein solcher Nachweis dürfte ohne klare und dokumentierte Organisationsstrukturen nicht zu führen sein. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit von Dokumentationssystemen, unterstützt von Managementsystemen, die eine klare Verteilung von Verantwortung und eine transparente Prozesslandschaft vorsehen. Beispiele solcher Managementsysteme sind Qualitäts-, Sicherheits- und Umweltmanagementsysteme sowie Steuerungssysteme wie ein Pflichtenmanagement, das die Pflichten identifiziert, ihre Umsetzung sicherstellt und dokumentiert.
Während zivilrechtliche Haftungsansprüche in der Regel an das Unternehmen als juristische Person gestellt werden, erfolgt die strafrechtliche Haftung immer gegen natürliche Personen, was zu einer persönlichen Haftung von Führungskräften führt. Wie die zivilrechtliche, so wird auch die strafrechtliche Haftung stetig verschärft. Dies wird besonders im Bereich des Umweltstrafrechts (z. B. gemäß §§ 324 ff. StGB) deutlich, wo die Zahl der strafrechtlichen Ermittlungen stetig zunimmt.
Schriftliche Pflichtenübertragung
Obwohl das Fehlen einer schriftlichen Pflichtenübertragung, wie oben beschrieben, nicht vor der Verantwortung schützt, ist es für den Produktionsleiter trotzdem wichtig, eine solche schriftliche Pflichtenübertragung vorliegen zu haben, da nur so der Verantwortungsbereich transparent wird und klar gegenüber anderen Verantwortungsträgern abgegrenzt werden kann.

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