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02004 ISO Amendment 1: Die Normforderung zum Klimawandel in Managementsystemnormen

Mit dem ISO Amendment 1 wurden im Februar 2024 zahlreiche Managementsystemnormen um den Aspekt des Klimawandels erweitert. Unternehmen müssen den Klimawandel in ihrer Kontextanalyse und bei der Bewertung der Anforderungen interessierter Parteien berücksichtigen. Dies betrifft nicht nur umweltbezogene Systeme, sondern auch Normen wie die ISO 9001 (Qualitätsmanagement). Die Umsetzung erfolgt ohne Übergangsfrist, da ISO und IAF davon ausgehen, dass viele Organisationen bereits auf klimabezogene Risiken vorbereitet sind. Der Beitrag erklärt die wichtigsten Änderungen und gibt Hinweise, wie Unternehmen diese Anforderungen praktisch in ihre Systeme integrieren können. Zudem werden Beispiele für unterschiedliche Normen und Branchen genannt, wie etwa das Qualitäts- und Umweltmanagement.
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1 Einführung

Im Februar 2024 hat die Internationale Organisation für Normung (ISO) die meisten Managementsystemnormen um einen Zusatz zum Thema Klimawandel ergänzt. Entsprechend müssen sich nun alle zertifizierten Unternehmen, die das noch nicht getan haben, mit dem Thema auseinandersetzen, und zwar unabhängig vom Schwerpunkt des Managementsystems, also nicht nur im klassischen Umwelt- oder Energiemanagement. Damit sind sehr viele Unternehmen und deren Managementsysteme betroffen. Andererseits sollte die Umsetzung bei pragmatischer Herangehensweise auch keine übermäßige Hürde darstellen. Ein strategisch und risikobasiert ausgerichtetes Managementsystem sollte die Thematik, soweit sie für das Managementsystem von herausragender Relevanz ist, bereits berücksichtigt haben.

1.1 Hintergrund des Amendment 1

Im September 2021 wurde auf der ISO-Vollversammlung in London die „London Declaration” von ISO und allen Mitgliedsorganisationen (darunter DIN und CEN) unterzeichnet. Sie ist so zusagen das „Paris Agreement” der Normung. Ziel der London Declaration war es, dass die Normung aktiv bei der Bekämpfung des Klimawandels unterstützt. Sie soll sich dabei nicht nur auf die thematisch relevanten Normen (Umweltmanagement, Carbon Footprint Berechnung, Anpassung an den Klimawandel usw.) beschränken. Stattdessen sollen alle neuen Normprojekte und Überarbeitungen von Normen in dieser Hinsicht auf den Prüfstand gestellt werden. Darüber hinaus sollte die Beteiligung der Zivilbevölkerung sichergestellt und ein Aktionsplan erstellt werden.
Die allgemeine Erwartung war nun, dass der Klimawandel bei allen Projekten, wie z. B. der Überarbeitung der ISO 9001 oder der ISO 45001 berücksichtigt würde. Mit dem Amendment 1 ist die Umsetzung zur Überraschung der meisten Akteure dann aber sehr schnell und für sehr viele Managementsystemstandards gleichzeitig erfolgt.

2 Inhalt des Amendments 1

Das Amendment wurde im Februar 2024 veröffentlicht und kann auf der Seite der ISO im Original nachgelesen werden.
Grundsätzlich wurde die Managementsystemnorm in den Bereichen 4.1, Kontext der Organisation und 4.2. Interessierte Parteien ergänzt:

2.1 Erste Neuerung: 4.1 Kontext der Organisation:

Zusatz: Die Organisation muss bestimmen, ob der Klimawandel ein relevantes Thema ist.
Dies soll keine grundsätzliche inhaltliche Änderung darstellen. Es soll aber sichergestellt werden, dass das Thema aufgrund seiner steigenden Relevanz nicht übersehen wird. IAF und ISO gehen davon aus, dass die meisten Organisationen dies bereits erfüllen. Je nach Managementsystemnorm ist die Bedeutung unterschiedlich. So soll sich ein Arbeitsschutzmanagementsystem nicht überproportional mit dem Klimawandel beschäftigen, sondern nur soweit dies für den Arbeitsschutz relevant ist.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Klimawandel in zweierlei Hinsicht auswirkt: Zum einen durch die Anforderungen, die sich aus den notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergeben. Zum anderen werden zunehmend Maßnahmen zur Anpassung an den bereits stattfindenden Klimawandel erforderlich.
Dort, wo eine Relevanz für das Managementsystem erkannt wird, ist dieses entsprechend auszurichten (Geltungsbereich, Risiko- und Chancenanalyse mit entsprechenden Maßnahmen etc.).

2.2 Zweite Neuerung 4.2 Interessierte Parteien

Anmerkung: Relevante interessierte Parteien können Anforderungen in Bezug auf den Klimawandel haben.
Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass der Klimawandel zunehmend in den Fokus von interessierten Parteien wie Kunden, Behörden, Versicherern, Aktionären oder Finanzdienstleistern rückt. Deren Anforderungen und ggf. daraus resultierende verbindliche Verpflichtungen sind dann zu berücksichtigen.

2.3 Betroffene Standards

Unter dem oben genannten Link finden Sie die vollständige Liste der über 30 betroffenen Standards. Darunter befinden sich alle relevanten Managementsystemnormen wie ISO 9001, ISO 14001, ISO 27001, ISO 45001, ISO 50001.

3 Umsetzung durch zertifizierte Unternehmen und Zertifizierungsstellen

Ebenso überraschend wie die Veröffentlichung des Amendments 1 war für viele die gleichzeitig veröffentlichte IAF-Erklärung zur Umsetzung. Diese kann im Original unter folgendem Link nachgelesen werden: IAF and ISO Publish Joint Communiqué – IAF.
In der Erklärung wird darauf hingewiesen, dass das Amendment sofort und ohne Übergangsfrist anzuwenden ist. Begründet wird dies damit, dass es sich nicht um eine grundlegend neue Anforderung handelt, sondern um etwas, das die Organisationen ohnehin schon im Rahmen der Kontextbetrachtung berücksichtigen mussten.
Außerdem müssen keine neuen Zertifikate ausgestellt werden. Die Jahreszahl der Norm auf den Zertifikaten bleibt unverändert.

3.1 Umsetzung durch zertifizierte Unternehmen

In einem ersten Schritt sollten Organisationen bewerten, ob der Klimawandel ein relevantes Thema für die Kontextbetrachtung ist. Dabei sollten sowohl die Bekämpfung des Klimawandels als auch Anpassungsaspekte berücksichtigt werden. Hier spielen generelle Themen der strategischen Ausrichtung und Resilienz eine Rolle, die unabhängig vom Managementsystemstandard eher geografisch oder branchenspezifisch geprägt sein können. Hinzu kommen normenspezifische Themen. So stellt sich die Anwendung auf ein Qualitätsmanagementsystem ganz anders dar als beispielsweise auf ein Umweltmanagementsystem oder im Arbeitsschutz.
Wenn relevante Themen identifiziert wurden, müssen diese bei der Risikobewertung, der Festlegung von Zielen und Maßnahmen etc. berücksichtigt werden. Ebenso ist bei der Bewertung der Erwartungen der interessierten Kreise zu prüfen, ob sich aus klimarelevanten Themen neue bindende Verpflichtungen ergeben.

3.2 Umsetzung durch Zertifizierungsstellen

Ebenso zeitnah sind die Auditoren der Zertifizierungsstellen seit Februar 2024 verpflichtet, die korrekte Umsetzung der Anforderungen zu überprüfen. Wurde das Klima in der Kontextanalyse berücksichtigt? War der Entscheidungsprozess effektiv? Wurde bewertet, ob interessierte Parteien klimarelevante Themen haben? Ergeben sich daraus neue bindende Verpflichtungen?
Bei Unstimmigkeiten kann es zu Feststellungen kommen, die von kleinen Hinweisen bis hin zu einer wesentlichen Abweichung reichen können. Eine pauschale Aussage, zu welcher Bewertung sich der Auditor/die Auditorin entscheiden wird, ist nicht möglich. Es wird sich immer um eine Einzelfallentscheidung handeln, bei der eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielen. So wird die Klimarelevanz von Organisation zu Organisation und von Managementsystem zu Managementsystem sehr unterschiedlich sein, sodass auch ein Versäumnis als unterschiedlich gravierend zu bewerten sein wird.
Beispiele
Ein Stahlwerk, dessen Umweltmanagementsystem sich nicht mit dem Klimawandel befasst, wäre auch ohne das Amendment deutlich kritisiert worden. Dagegen wäre das Compliance Management eines kleinen Übersetzungsbüros deutlich weniger kritisch zu bewerten. Weitere Faktoren sind, ob Aspekte komplett ignoriert wurden oder ob es sich nur um Teilversäumnisse handelt. Auch die kurzfristige Veröffentlichung wird dazu führen, dass zunächst eine gewisse Kulanz denkbar ist. Dieser Faktor verliert jedoch zunehmend an Bedeutung.

4 Anwendungsbeispiele und weiterführende Informationen zu ausgewählten Normen

Während die Anwendung der Klimathematik auf ein Umwelt- oder Energiemanagementsystem offensichtlich ist, erscheint dies bei anderen Normen wie Qualitätsmanagement oder IT-Sicherheit zunächst erklärungsbedürftiger.
Leitfaden für ISO 9001
Für ISO 9001 (Qualitätsmanagement) wurde von IAF/ISO im März 2024 ein Leitfaden veröffentlicht. Dieser ist im Originaltext unter folgendem Link abrufbar und gibt viele hilfreiche Beispiele: APG Auditing Climate Change issues FINAL 3-19-2024.pdf (iso.org)
Besondere Klimathemen im Qualitätsmanagement ergeben sich z. B:
Bei Produkt- bzw. Lieferkettenrelevanz: veränderte Rohstoffe, Anwendung von Ökodesign-Richtlinien etc.
Bei relevanten „Claims”, z. B. Werbung mit niedrigem CO2-Fußabdruck.
Bei besonderen Standortrisiken (z. B. Hochwasser)
Hinsichtlich der Anpassungsrisiken lohnt sich auch ein Blick in die ISO 14090 zur Anpassung an den Klimawandel. Auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Versicherungen bieten Risikobewertungen an.
Der Leitfaden gibt dann sehr detailliert Auskunft, welche Normanforderungen betroffen sein können, wenn eine Klimarelevanz für das Qualitätsmanagementsystem festgestellt wurde. Dies reicht von Anpassungen im Geltungsbereich über die Bewertung von Chancen und Risiken, klimarelevante Design- und Dokumentationsanforderungen bis hin zu Anforderungen an die Überwachung und Messung oder als Input für das Management-Review.
Für andere Normen gibt es bisher keine derart detaillierten Leitfäden. Für Arbeitsschutzmanagementsysteme ist eine Arbeitsgruppe auf ISO-Ebene geplant (ISO 45007 New work item proposal). Bei der ISO 14001 ist die Verbindung oberflächlich betrachtet ohnehin offensichtlich. Hier wird zukünftig ein in Vorbereitung befindlicher Leitfaden ISO 14002-3 die Anwendung der ISO 14001 auf die Klimaproblematik vertiefend diskutieren. Dieser Leitfaden befasst sich sowohl mit Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels als auch mit der systematischen Anpassung an seine Folgen.

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