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07009 Klimawandel und Klimaschutzinstrumente: der freiwillige Kompensationsmarkt in Deutschland

Nach einer Vorstellung der CO2-Kompensationsinstrumente beleuchtet dieser Beitrag den Kompensationsmarkt in Deutschland:
• Welche Anbieter gibt es?• Was genau bieten sie an?• Welche Standards gibt es?• Warum und was wird kompensiert?• Wie tragen Klimaschutzprojekte zu einer global nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft bei?
von:

1 Einleitung

Globales Ungleichgewicht
Der Klimawandel mit seinen umfassenden Auswirkungen in ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Konsequenz wird als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewertet. Kein Bereich des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens wird davon in den nächsten Jahrzehnten unberührt bleiben. Dies geschieht in einem starken globalen Ungleichgewicht: Während die Industrieländer die für den Klimawandel verantwortlichen Treibhausgase vermehrt emittieren, sind es gerade die weitgehend armen Bevölkerungsschichten in den Entwicklungsländern, die unter den Folgen leiden müssen. Trotz der internationalen entwicklungspolitischen Bemühungen ist die Armut weltweit noch nicht beherrscht, der Klimawandel verschärft diese Diskrepanz sogar weiter. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich mit dem Pariser Klimaabkommen und den (Sustainable Development Goals, SDGs) der Agenda 2030 ab 2015 dazu verpflichtet, diese Ziele global zu verfolgen.
Bereits 1972 hatte der „Club of Rome” mit der Studie „Die Grenzen des Wachstums” ein breiteres Verständnis und eine öffentliche Wahrnehmung für das Verstehen ökologischer Zusammenhänge und der Wechselwirkungen zwischen Menschen und Umwelt geschaffen. Seither ist einige Zeit vergangen und die Probleme werden drastischer.
Finanzierungslücke wächst
Die bisherigen internationalen Instrumente und Strategien zur Bekämpfung von Klimawandel und Armut haben es nicht vermocht, den Ausstoß von CO2-Emissionen signifikant zu mindern und die Lebensbedingungen der Menschen in der eigentlich notwendigen Geschwindigkeit zu verbessern.
Die Finanzierungslücke wird immer größer – nicht nur für den Klimaschutz vor Ort, für die Anpassung an den Klimawandel und für „Loss and Damage”, sondern auch für die nachhaltige Entwicklung insgesamt (SDGs). Die Finanzierungslücke für Entwicklungsländer zur Umsetzung und Erreichung der SDGs liegt nach aktuellen Schätzungen zwischen 3,9 Billionen US-Dollar (OECD) und 4,3 Billionen US-Dollar (UNCTAD). Diese „SDG-Finanzierungslücke” hat sich durch die COVID-19-Pandemie weiter vergrößert und die Erreichung einiger SDGs verlangsamt oder Fortschritte umgekehrt. Die Hilfen von Staaten und Entwicklungsbanken reichen nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken, und es ist fraglich, ob die derzeitige globale Finanzinfrastruktur noch angemessen auf die aktuellen Herausforderungen ausgerichtet ist.
Im Sinne der Klimaverantwortung sollten sich aber auch alle nicht staatlichen Akteur:innen verhalten, die aufgrund ihrer Treibhausgasemissionen zur Klimakrise beigetragen haben und dies immer noch tun. Ambitioniertes Handeln ist umso dringlicher, als die staatlichen Mittel nicht ausreichen, um unser Klima erfolgreich zu schützen und nachhaltige Entwicklung weltweit zu fördern.
Private Klimafinanzierung
Die Klimakrise trifft Menschen und Umwelt im globalen Süden besonders hart, obwohl sie am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Sie trifft dort vor allem ärmere Bevölkerungsgruppen besonders hart, zumal diese nur begrenzte Möglichkeiten haben, sich an den Klimawandel anzupassen. So können sich die Folgen einer zunehmenden Erderwärmung negativ auf Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit und Biodiversität auswirken. Wirksamer Klimaschutz kann dem entgegenwirken. Gleichzeitig kann die Förderung der SDGs den Klimaschutz voranbringen, zum Beispiel durch den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Klimaschutzprojekte sollten dabei stets partnerschaftlich mit den Akteur:innen vor Ort entwickelt und umgesetzt werden.
Leapfrogging
Zudem kann in Ländern des globalen Südens direkt in emissionsarme und somit klimafreundliche Lösungen investiert werden. Die Nutzung fossiler Brennstoffe kann übersprungen werden (sog. „Leapfrogging”). So kann die Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten (z. B. Wind- oder Solarkraft) in einem Entwicklungsland den Neubau eines Kohlekraftwerks ersetzen und damit klimaschädliche Emissionen vermeiden.
Private Klimafinanzierung sollte vor allem ambitionierte Projekte unterstützen, die für die Gaststaaten dieser Projekte durch eigene Mittel nur schwer oder gar nicht umsetzbar wären („high-hanging fruits”). Auf diese Weise kann der Markt ein Treiber von Innovationen und wirksamen Klimaschutzlösungen sein. Die Vermeidung und Reduktion eigener THG-Emissionen muss dabei allerdings stets im Vordergrund stehen.
Nur mithilfe von Dekarbonisierung, die in den westlichen Industrieländern tiefgreifende Veränderungen der Produktions- und Lebensweise bedeutet, kann dem Klimawandel Einhalt geboten werden.
Die Ursprünge der freiwilligen Kompensation
Im Rahmen des Kyoto-Protokolls wurde 1997 mit dem Mechanismus für eine umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) ein Instrument geschaffen, das es den Industrieländern ermöglicht, Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern zu fördern. Damit sollten sie ihren Emissionsverpflichtungen nachkommen und zu einer weltweiten Verbreitung sauberer Technologien beitragen.
CO2-Kompensation
Neben den marktbasierten Ansätzen auf staatlicher Ebene etablierte sich das Prinzip der CO2-Kompensation auf dem sogenannten freiwilligen Kompensationsmarkt (Voluntary Carbon Market, VCM). Bei diesem Verfahren gleichen Firmen, Organisationen und Privatpersonen die von ihnen verursachten CO2-Emissionen durch Emissionszertifikate aus Klimaschutzprojekten, i. d. R. im globalen Süden, auf freiwilliger Basis aus.
Sustainable Development Goals
2015 beschloss die UN-Vollversammlung 17 Ziele [1] für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG), die neben sozialen auch ökonomische sowie ökologische Aspekte enthalten. Die Erreichung dieser Ziele kann durch die Umsetzung von Klimaschutzprojekten befördert werden: Durch einen mehrdimensionalen Ansatz werden Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit vereint. Nach der Reduktion und der Vermeidung von CO2-Emissionen ist der freiwillige Ausgleich somit eine handhabbare Möglichkeit, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und Armut zu mindern. Dies wird im Folgenden näher erläutert.

2 Klimaschutzinstrumente unter dem Paris-Abkommen

Die Ablösung des Kyoto-Protokolls durch das Pariser Klimaschutzabkommen und die Beschlüsse der nachfolgenden UN-Klimakonferenzen haben weitreichende Auswirkungen auf den freiwilligen Kohlenstoffmarkt und das Engagement von Unternehmen und anderen Organisationen für das Klima.

2.1 Paris gibt neuen Rahmen

Das Pariser Klimaabkommen hat die Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Klimaschutzprojekten für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt grundlegend geändert. Unter dem zuvor geltenden Kyoto-Protokoll wurde der Großteil der Klimaschutzzertifikate in Entwicklungs- und Schwellenländern generiert. Neben niedrigeren Kosten hatte die dortige Umsetzung von Klimaschutzprojekten vor allem den Vorteil, dass aufgrund fehlender nationaler Klimaschutzziele der Gastländer das Risiko der Doppelzählung von Emissionsminderungen nicht gegeben war. Denn unter dem Kyoto-Protokoll besaßen lediglich Industriestaaten verbindliche Ziele zur Reduktion ihrer Treibhausgase.
Risiko der Doppelzählung
Dies änderte sich mit dem Pariser Klimaabkommen: Alle Staaten verpflichten sich zum Klimaschutz und zur Einreichung maximal ambitionierter nationaler Klimaschutzziele (Nationally Determined Contributions, NDCs). Mit dieser Änderung trägt nun theoretisch jede Klimaschutzmaßnahme zur Umsetzung der Ziele des Gastgeberlands bei. Werden aber die von dieser Maßnahme generierten Ausgleichszertifikate z. B. zur Umsetzung eines Klimaschutzziels eines Unternehmens oder anderer Staaten genutzt, kommt es zu einer doppelten Inanspruchnahme von Emissionsminderungen. Damit kann das durch Emissionszertifikate suggerierte „mehr” an Klimaschutz nicht mehr garantiert werden, und es besteht das Risiko, dass das Klimaschutzprojekt nationale Maßnahmen verdrängt oder ersetzt.

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